Adam Lambert, eine musikalische Größe und Frontmann einer der größten Rockbands der Welt, spricht mit AMG über den Adrenalinkick bei Auftritten, wie er mit dem Druck umging, in die Fußstapfen von Freddie Mercury zu treten, und warum es so wichtig ist, über sich und seinen Beruf hinaus zu wachsen.
"Es ist die Suche nach dem Nervenkitzel", sagt Adam Lambert und grübelt, was ihm an den Live-Auftritten am Liebsten ist. Der Queen-Frontmann sitzt in seinem Wohnzimmer und trägt eine getönte, elektrogelbe Brille, die, wie er sagt, dazu dient, die Spuren des Jetlags, den er schon drei Tage verspürt, zu verbergen – er befindet sich im Höhepunkt der Müdigkeit. Kurz nach Beginn des Interviews ist klar, dass Lambert Teile seiner Performance in seine Persönlichkeit einfließen lässt, oder besser gesagt, seine Persönlichkeit es ist, die seine Auftritte auf der Bühne so lebendig macht.
Die meisten Musiker erzählen mit ausgiebigen Details, wie aufregend es ist, vor einem ausverkauften Stadion zu spielen, aber Adam Lambert ist nicht wie die meisten Musiker. Auch hört man nicht oft so eine Geschichte, wie die des 39-Jährigen und seinem rasanten Aufstieg. Nachdem die Welt 2009, in der US-Fernsehshow American Idol, Zeuge seines herausragenden Talents wurde und miterlebte, wie die Bühne eine natürliche Erweiterung seiner Persönlichkeit zu sein schien, keimte in dem Sänger ein Funke der Begeisterung für seine Zukunft auf.
Nur ein paar Jahre nach seinem zweiten Platz in der Show schloss sich Lambert der kultigen britischen Band Queen als neuer Sänger an und trat in die Fußstapfen des großen Freddie Mercury. Zusammen mit seinen Bandkollegen Bryan May und Roger Taylor hat Lamberts Reise ihn in jeden Winkel der Welt verschlagen, sie hat ihn zu dem gemacht, der er heute ist, und bewiesen, dass Musikauftritte seine Bestimmung sind.
Die Karriere des Sängers geht inzwischen weit über die Musik hinaus. Lambert nutzt sein Talent, um seine Kreativität in verschiedene Richtungen zu lenken – vor allem, indem er Musicals schreibt und mit verschiedenen Genres experimentiert. Er nutzt aber auch seine Plattform als weltweit bekannte Persönlichkeit, um die Probleme zu beleuchten, mit denen viele Menschen auf dieser Welt konfrontiert werden. Lambert gründete die Feel Something Foundation im Jahr 2019, eine Organisation die Mitglieder der LGBTQ+-Gemeinschaft aus allen Schichten und Altersgruppen unterstützt und fördert. Seit American Idol im Jahr 2009 wurde Adam Lambert nicht nur zu einer führenden Persönlichkeit in der Musikbranche anerkannt, sondern auch zu einem Vorbild, wie man Popularität und Medienaufmerksamkeit nutzen kann, um sich mit Problemen der Gegenwart auseinanderzusetzen und die Welt in Zukunft zu einem besseren Ort zu machen.
In einem exklusiven Interview mit dem Queen-Frontmann und Philanthropen erfährt AMG alles über Adam Lambert‘s Weg zu seiner heutigen Rolle, über die Moral und die Werte, die führende Persönlichkeiten in der Musikindustrie hervorbringen, und darüber, wie Performance zur Selbstfindung führen kann ...
Es lastete ein gewaltiger Druck in die Fußstapfen von Freddie Mercury zu treten, wie bist du damit umgegangen?
Ich habe den Druck definitiv gespürt. Das ist über 10 Jahre her, also schon eine Weile, aber am Anfang hat mich die Tatsache eingeschüchtert, dass Freddie ein Gott des Rocks ist, und ich wusste, dass die Fans mich wirklich hart urteilen könnten. Ich habe mich immer wieder gefragt: Schaff ich das?
Welche Bedeutung haben Musiker in der heutigen Welt, abgesehen vom Musikmachen?
Die Identität eines Künstlers ist mit der Zeit mehr und mehr in den Vordergrund gerückt. Natürlich verallgemeinere ich hier einiges und es gibt es immer wieder Ausnahmen. In der Vergangenheit stand die Musik immer an erster Stelle – danach folgten Talent und Integrität. Ich denke, das ist heute zum Teil auch noch so. Es gibt immer noch viele Musiker, die ausschließlich an ihrer Musik gemessen werden möchten, aber – wahrscheinlich haben soziale Medien und die Digitalisierung das Game auch ein wenig verändert. Heute geht es vielmehr darum, wer du bist, was du zu sagen hast und wofür du stehst. Es geht heute viel mehr um die Identität einer Person als jemals zuvor.
Du hast die Feel Something Foundation gegründet. Bist du der Meinung, dass Musiker ihre Plattform häufiger nutzen sollten, um Gutes zu tun?
Wenn es authentisch ist, ja, auf jeden Fall. Als ich ins Geschäft eingestiegen bin, hatte ich nicht die Absicht, mich philanthropisch zu betätigen – es zog mich einfach dorthin. Mir bot sich die Gelegenheit, und ich dachte: Ja, ich habe wirklich Interesse daran, vor allem in Bezug auf die Entwicklung der LGBTQ+ Community. Davon abgesehen habe ich viele Fans, die dieser Community nicht angehören. Ich dachte mir also, dass es eine wirklich gute Gelegenheit sei, die Kluft zwischen den Communities zu unterbrechen.
Ist das Genre – und die Branche als Ganzes - so integrativ, wie es sein sollte? Wie viel Arbeit muss noch geleistet werden?
Es gibt immer mehr zu tun, aber es wird definitiv stetig besser. Darüber bin ich sehr glücklich. Sieh‘ dir die amerikanische Musikszene an: Lil Nas X, eine großartige Erfolgsgeschichte – jemand, der in Bezug auf das, worauf die Plattenfirmen achten - echten, greifbaren musikalischen Erfolg hatte: Verkäufe, Streams und Charts-Positionen. Indem er so ist, wie er ist, hat er provoziert – so jemanden hatten wir bisher noch nicht. Ich habe schon früh versucht, bestimmte Standpunkte zu vertreten, und bin dafür in große Schwierigkeiten geraten. Deshalb ist es so aufregend, an einem Punkt zu stehen, wo die Menschen dazu bereit sind, mich als einen Mainstream Artisten anzusehen und wertzuschätzen.
Inwiefern hat dir die Musik dazu verholfen mehr über dich als Person zu erfahren?
Ich habe festgestellt, dass ich mich im Laufe der Jahre immer wohler fühle. Früher wurde ich sehr nervös oder war voller Adrenalin. Das hatte auch oftmals seinen Mehrwert: Manchmal kann es einen Auftritt wirklich aufladen und ihn lebendig erscheinen lassen. Aber das Spannende daran, als Künstler zu reifen, ist herauszufinden, wie es sich anfühlt, wenn man nicht über die Maße aufgeregt oder unruhig ist und was man ohne diese Art von Aufregung und Energieschub erreichen kann. Mir gefällt die Tatsache, dass ich das schon so lange mache. Es ermöglicht mir, ein bisschen verletzbarer und sensibler zu werden.
Was bedeutet das Wort Performance für dich?
Ich neige dazu, mich in meinen Gedanken zu verlieren. Ich denke viel über Dinge nach. Was ich an Auftritten mag, ist dieser Augenblick, in dem man nicht wirklich viel Zeit zum Nachdenken hat. Man muss einfach handeln – ich mag diese Ungewissheit. Man muss in diesem Moment seine Leistung bringen, sonst ist man erledigt. Es ist wie in einem fahrenden Zug zu sitzen, den man nicht aufhalten kann. Es ist die Suche nach dem Kick. Ich mag das Adrenalin, das Gefühl von Verbundenheit. Ich liebe es, vor einem Publikum zu stehen und das alles, was man tut, von der Menge aufgenommen wird. Das ist ein geiles Gefühl. Es ist unvergleichbar.
Wie haben sich deine Ziele im vergangenen Jahr verändert? Hat dich die Veröffentlichung des neuen Albums, zu Beginn der Pandemie dazu veranlasst, persönliche Prioritäten zu überdenken?
Die letzten anderthalb Jahre waren wirklich sehr intensiv, das ist offensichtlich. Ich glaube, es hat meine Sichtweise auf einige Dinge wirklich verändert. Die Tatsache, dass sich alles entschleunigt hat, war irgendwie gut. Ich selbst bin voriges Jahr an Covid erkrankt, und das war beängstigend. Man weiß nicht, wie man auf den Virus reagieren wird. Es klingt klischeehaft, aber es hat mich ein wenig wachgerüttelt: Was sind meine Prioritäten, was ist wirklich wichtig, was sind die wichtigsten Dinge in meinem Leben? Ich denke, es hat meine Einstellung zum Thema Glücklich sein verändert. Was brauche ich eigentlich glücklich zu sein und wann bin ich wirklich glücklich? Ich wusste das zwar schon vorher, aber es hat mich daran erinnert, wieder projektorientierter zu denken. Selbst wenn es darum geht, etwas Albernes zu malen oder ein Bastelprojekt zu realisieren. Dann bin ich glücklich. Es macht mir Spaß, Dinge zu erschaffen und zu gestalten. Dafür war es gut. Das dämpfte die vielen zusätzlichen Ablenkungen.
Nachdem du die ganze Welt bereist hast, bist du der Meinung, dass aktuell einige Probleme in der Menschheit aufgedeckt werden?
Ich denke, dass viele Probleme ans Licht geraten, was ein Schritt in die richtige Richtung ist. Wenn wir die Probleme nicht erkennen können, wie sollen wir sie dann lösen? Ich denke auch, dass das Aufdecken dieser Probleme zusätzliche Spannungen erzeugt, allerdings ist das ein notwendiger Schritt. Letztes Jahr ging die Black-Lives-Matter-Bewegung nach dem Mord an George Floyd regelrecht durch die Decke, und das war eine sehr einschneidende Phase. Als weißer Mann war es für mich sehr interessant zu erkennen, dass es an der Zeit ist, innezuhalten und zuzuhören, und dass es nicht nur um einen selbst geht, sondern um diese Gruppe von Menschen, die gerade jetzt gehört werden müssen und unsere Unterstützung und Aufmerksamkeit braucht. Es geht darum, Gespräche zu führen. Es war erschreckend, in den USA im Fernsehen zu sehen, wie unverhohlen brutal die Polizei vorging. Es war schockierend. Wir wussten, dass es so war, aber dass alle das gesehen haben und die Medien darüber berichtet haben, war wirklich überwältigend.
Wo hast du dich am meisten inspiriert gefühlt, sowohl musikalisch als auch persönlich? Und warum?
Seit mehr als 20 Jahren lebe ich in L.A. und fühle mich super wohl dort, ich liebe mein Zuhause. Ich kann hier problemlos einen Hund halten. Aber ich liebe auch das Reisen. Städte, die ich besonders liebe, sind Amsterdam und Barcelona. Ich komme oft nach London, ich habe hier viel gearbeitet, daher ist die Stadt in kreativer Hinsicht ein überaus aufregender Ort geworden. New York ist ähnlich, ich liebe New York. Man hat immer das Gefühl, in einem kreativen Umfeld zu sein.
Wann fühlst du dich am meisten beflügelt?
Ich glaube, wenn ich auf der Bühne stehe. Es ist, als würde man den Akku aufladen. Es erfüllt mich auf eine Art und Weise, wie ich sie sonst nirgends erlebe. Wenn ich über einen längeren Zeitraum nicht auftrete, habe ich das Gefühl, mir fehlt etwas.
Ich habe gehört, dass du Autos liebst. Was war deine aufregendste Autofahrt?
Ich mag schöne Autos. Mein jetziges Auto ist ein Cabrio und das ist in Kalifornien einfach großartig. Ich fahre gerne mit offenem Verdeck herum, weil es sich so frei anfühlt, vor allem, wenn es draußen sonnig ist, was zu 99 % der Fall ist. Es ist schön, wenn einem der Wind durch die Haare weht. Wenn ich Lust auf einen kleinen Ausflug habe, fahren wir mit dem Cabrio nach Malibu.
Wie würdest du deine Karriere von den Anfängen bis hin zum heutigen Tag beschreiben – Und was kannst du in diesem Bezug über die Bedeutung von Entschlossenheit und Tatkraft sagen?
Das ist etwas, das ich mir immer wieder vor Augen führen muss. Es gab Momente, in denen ich mich entmutigt fühlte, und dann wieder Momente, in denen ich mich wirklich inspiriert fühlte. Letztendlich ist das Team um einen herum enorm wichtig. Das ist etwas, was ich über die Zeit wirklich gelernt habe. Wenn das Team nicht stimmt und die Dinge nicht richtig laufen, dann ist man frustriert und entmutigt. Wenn man alle Details im Griff hat, fühlt sich alles viel besser an, viel aufregender und positiver. Je älter ich geworden bin und je weiter ich in meiner Karriere gekommen bin, desto mehr vertraue ich auf meinen eigenen Instinkt. Am Anfang war ich ein bisschen unentschlossener. Ich habe alles ausprobiert, und wenn ich jetzt zurückblicke, denke ich: "Du hast dich viel zu sehr angestrengt, was hast du da eigentlich gemacht?" Es war eine Reise. Ich bin wirklich dankbar für meine Erfahrungen, denn ich fühle mich jetzt deutlich wohler in meiner Haut.
In welche Richtung soll es, sowohl in der Musik als auch im Privaten, für dich gehen?
Karrieremäßig möchte ich einfach weiterarbeiten. Ich engagiere mich gerne in vielen verschiedenen Bereichen. Ich denke, das ist es, was diese Reise so spannend macht. Ich habe in letzter Zeit einige Auftritte im Fernsehen gemacht, und zwar sowohl als Darsteller als auch hinter den Kulissen, z. B. in der Produktion oder Konzeptentwicklung. Ich mag es, in einem Team zu arbeiten und eine Stimme in einem Gremium zu vertreten. Ich liebe es, Musik zu machen und genieße es jetzt, verschiedene Musikrichtungen zu erforschen, nicht nur Popmusik. Ich habe ein Musical geschrieben ... Ich bin mit dem Musiktheater aufgewachsen. Man könnte sagen, der Kreis meiner Karriere hat sich geschlossen und ich kehre immer mehr zu den Dingen zurück, die ich ursprünglich liebte. In meinem Privatleben liebe ich meine Familie und meine Freunde, ich möchte einfach nur glücklich sein. Es geht nur darum und um nichts Anderes!