Seit über 20 Jahren steuert Bernd Mayländer das Safety Car in der Formel 1. Gemeinsam mit dem früheren DTM-Rennfahrer sprechen wir über seinen ungewöhnlichen Weg in die Formel 1, seine persönlichen Erfahrungen und worauf wir uns noch freuen können.
Wenn am Rennwochenende die Ampeln ausgehen und die Motoren der Rennboliden aufheulen, blicken nicht nur die Zuschauer gebannt auf die Piloten. Im Schatten der Aufmerksamkeit wacht das Safety Car hinter dem Fahrerfeld und rollt nach dem Start an seine finale Warteposition vor der Boxengasse. Was heute ein vertrautes Schauspiel ist, war nach dem ersten Auftritt eines Safety Cars in den 1970ern lange undenkbar – denn die ersten Einsätze endeten im Chaos.
1973 schlug die Stunde von Eppie Wietzes beim Großen Preis von Mosport Kanada.
Der einheimische Safety-Car-Pilot erwischte jedoch einen denkbar schlechten Start und ordnete sich falsch im Fahrerfeld ein. Das anschließende Chaos konnte in einer Zeit, in der Runden noch per Hand gestoppt wurden, erst Stunden nach Ende des Rennens geordnet werden. Gleich mehrere Piloten beanspruchten den Sieg für sich. Anschließend verschwand das Safety Car von der Bildfläche und kehrte erst 1993 in die Formel 1 zurück. Seitdem gehört das wachende Auge sowohl bei Trainings- als auch Rennveranstaltungen zum Inventar. Anders als heute, gab es jedoch noch keine einheitlichen Partner; Veranstalter legten für jedes Rennen eigenständig fest, welches Fahrzeug sie als Safety Car einsetzten.
Erst der Exklusivvertrag mit Mercedes-Benz 1996 sorgte für Einheitlichkeit. Für die nächsten 25 Jahre setzten sich Mercedes-AMG Fahrzeuge bei schlechten Witterungs- und Streckenbedingungen an die Spitze des Fahrerfeldes und sorgten so für Sicherheit auf den Strecken. Mit Bernd Mayländer, ehemaliger DTM-Pilot und AMG Markenbotschafter, erhielt das Safety Car 2000 ein prägendes Gesicht, welches dem turbulenten Wandel der Rennserie bis heute trotzte. Seine mittlerweile 22. Saison brachte aber selbst für den erfahrenen Piloten noch ein paar Überraschungen mit sich.
Bernd Mayländer
Geboren: 29.05.1974
Geburtsort: Schorndorf, Deutschland
Safety-Car-Pilot seit: 2000
Aktuelles Modell: Mercedes-AMG GT R
Du bist nun seit über 20 Jahren Safety-Car-Pilot, hast du in der Zeit jemals das Verlangen gespürt, einmal selbst im Fahrerfeld mitzumischen?
Für mich persönlich war der Reiz, in der Formel 1 zu fahren, nie wirklich realistisch oder greifbar. Ich kann mich noch an meine ersten Schritte im Motorsport erinnern: Das war auf der Nürburgring-Nordschleife, als ich das 24-Stunden-Rennen im Jahr 1989 live gesehen habe. Ich hätte nie gedacht, dass ich dort ansatzmäßig hinkomme. Erst mit dem Anruf von Mercedes-Benz '94, ob ich in der DTM fahren möchte, wurde es für mich greifbarer, so etwas professionell zu machen. Das war für mich ein wahnsinniger Schritt. Aber ich war immer Tourenwagen- und Sportwagenpilot, das hat mich mehr gereizt.
2021 wechselst du das erste Mal zwischen zwei Fahrzeugen während der Saison. Freust du dich über die Abwechslung, oder hast du dich zu sehr an deinen Mercedes-AMG GT R gewöhnt?
Ich sehe es positiv. Natürlich darf man nicht vergessen, dass Mercedes-AMG 25 Jahre das Safety Car und das Medical Car alleine gestellt hat. In der neuen Konstellation mit Aston Martin hat man zwei tolle Sportwagen und ich bin happy, denn wer kann schon zwischen zwei solch überragenden Marken wechseln.
Wie bereitest du dich auf eine neue Saison vor?
Nach den Winterferien merkt und hört man an den E-Mails und Telefonaten, dass alle wieder zurück sind und dann geht es los mit der Planung. Das heißt bei mir, sich sportlich vorzubereiten und dann kommen die Tests der Safety Cars. Die letzten Jahre waren wir in Nardò, wo man die Fahrzeuge auf Herz und Nieren geprüft hat. Dieses Jahr mussten wir die Tests in Papenburg machen. Die FIA hatte angefragt, ob ich auch den Aston Martin in England testen kann. Das ging durch die Einreisebeschränkungen leider nicht, weswegen das ein Kollege vom Medical Car übernommen hat, der dort ansässig ist.
Blicken wir zurück auf deine Anfänge. Wie kam der Kontakt zur Formel 1 zu Stande?
Da muss ich ein bisschen ausholen: Ich bin 1998 für Mercedes-AMG mit dem legendären CLK GTR in der FIA-GT-1-Meisterschaft gefahren. Da es '99 kein Programm mehr gab, habe ich mich entschlossen, die Mercedes-Familie zu verlassen und bin wieder Porsche Cup-Meisterschaften und Langstrecken-Rennen gefahren. Beim Großen Preis von San Marino in Imola bekam ich einen Anruf von Charlie Whiting, dem Renndirektor der Formel 1. Zuerst dachte ich: Ohje, die FIA ruft mich an, was ist da passiert? Wir haben dann zusammen einen Kaffee getrunken und Charlie Whiting fragte mich, ob ich nächstes Jahr der Safety-Car-Fahrer für die Formel 1 werden will und schon am selben Tag in der Formel 3000 Erfahrung sammeln könnte. Zwei Stunden später saß ich im Auto und fuhr mein erstes Rennen. 2000 war dann meine Premiere in der Formel 1 beim Großen Preis von Australien in Melbourne, damals im CL 55 AMG.
Während eines Rennens kann jederzeit dein Einsatz benötigt werden. Was machst du, während du wartest?
Wir haben zwei Monitore im Fahrzeug verbaut, auf denen wir das Rennen live verfolgen können. Früher, als es das noch nicht gab, wurde es bei bis zu 40 Grad im Auto ganz schön zäh. Jetzt ist man jedoch voll dabei. Übers Wochenende sitzt man insgesamt mehr als 12 Stunden im Auto, also hält man sich gegenseitig wach, spricht miteinander und macht sich seine eigene Strategie fürs Rennen.
Wer unterstützt dich auf und neben der Strecke?
Neben der Strecke natürlich unsere Mechaniker, die sich um die Wartung des Safety Cars kümmern. Seit diesem Jahr haben wir pro Rennen drei Mechaniker dabei. Dazu kommen Kollegen in Affalterbach, die sich um das Back-Up-Fahrzeug kümmern. Und neben mir im Safety Car sitzt mein langjähriger Co-Pilot Richard Darker, der mich auf der Strecke und in der Kommunikation mit der Rennleitung unterstützt.
Das Safety Car dient der Sicherheit und doch kann es erheblichen Einfluss auf den Rennverlauf haben. Musstest du dir nach einem Rennen jemals Beschwerden von Fahrern anhören?
Das wäre absolut der falsche Ausdruck. Die Fahrer machen sich einen Spaß daraus, auch wenn es für sie mal nicht gut ausgegangen ist. Es kam schon vor, dass unser Einsatz die Strategie eines Piloten zerstört hat. Andererseits hat es auch Rennen gegeben, bei denen durch die Safety-Car-Phase ein Fahrer gewonnen hat, der sonst wahrscheinlich nicht gewonnen hätte. Auch Kommentare, dass ich im Safety Car zu langsam sei, nehme ich nicht persönlich. Es wäre mir auch am liebsten, wenn ich mit dem GT R immer Vollgas geben könnte. Aber man hat eine andere Aufgabe: Safety first.
Du hast eine Reihe von AMGs als Safety Car gehabt. Welcher hat dir bisher am besten gefallen?
Man entwickelt natürlich schon Favoriten. Ich denke an mein Safety Car 1999, das war der Mercedes-Benz CLK 55 AMG. Damals hatte der 360 PS unter der Haube mit einem V8, 5,5-Liter-Motor. Das war eine richtige Granate – für die Straße und für die Rennstrecke. Oder der Mercedes-Benz SL 55 AMG, der erste Kompressor im Jahr 2001, mit der Weltpremiere beim Formel 1 Grand Prix in Hockenheim.
Wann können wir deiner Meinung nach mit dem ersten Hybrid Safety Car rechnen?
Solange man mir die Leistung nicht wegnimmt, habe ich natürlich kein Problem damit (lacht). Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Mercedes-AMG in die richtige Richtung entwickelt und ein Hybrid Safety Car kommen könnte. Die Formel 1 hat diese Technologie ja schon.
Und welchen AMG würdest du gerne als Safety Car fahren?
Also ein Mercedes-AMG Project ONE wäre natürlich ein absoluter Traum (lacht). Aber ich glaube, das wäre auch zu viel des Guten. Wir sind derzeit mit dem Mercedes-AMG GT R (Kraftstoffverbrauch kombiniert 12,4 l/100 km, CO2-Emissionen kombiniert 284 g/km) unterwegs, dann gibt es noch den AMG GT Black Series (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 12,8 l/100 km | CO2-Emissionen kombiniert: 292 g/km). Das ist natürlich nochmal ein richtiger Sprung im Sportwagenbereich. Ich bin da für alles offen und wenn noch irgendwann mal ein Hybrid dazukommt, dann geht es noch schneller voran. Wir sind da in Zukunft ganz gut aufgestellt.
Schon jetzt gibt es virtuelle Safety-Car-Phasen. Wie sieht die Zukunft des Safety Cars aus?
Man hat am Anfang, als das virtuelle Safety Car eingeführt wurde, natürlich schon tief durchgeatmet. Aber man kann nicht alles virtuell steuern. Es ist nützlich, wenn es kleine Probleme auf der Strecke zu lösen gibt. Aber wenn Menschen auf die Strecke müssen, bleibt einem nichts anders übrig, als ein richtiges Safety Car rauszuschicken und das Feld einzusammeln. Daher habe ich keine Bedenken mehr. Und mit den Marken und Modellen, mit denen wir unterwegs sind, präsentiert man sich ja auch sehr gerne.
Wie ist dein Fazit nach 20 Jahren Formel 1? Begeistert dich der Sport weiterhin oder spürst du schon Ermüdungserscheinungen?
Man ist am Jahresende wirklich müde, aber wenn man ein paar Tage wieder zu Hause war, brennt man wieder auf die neue Saison. Und nächstes Jahr kommt ein neues Reglement, mit dem es umfangreiche Änderungen geben wird. Es ist toll, dabei zu sein und ich genieße es nach wie vor. Dieses Jahr ist es wieder ein bisschen enger geworden. Die großen Namen wie Vettel und Hamilton werden auch nicht jünger und die jungen Fahrer drängen nach vorne und dieser Wettbewerb ist wichtig, weil er letztendlich uns und den Marken hilft, noch besser zu werden.