Zurück zu den Ursprüngen

Geniales Doppel

Text Jörg Heuer Fotos Mike Meyer

Sie haben mit unternehmerischem Mut und Innovationskraft eine Weltmarke geschaffen: AMG! Eine Begegnung mit zwei Legenden.

Hans Werner Aufrecht und Erhard Melcher sind zwei der außergewöhnlichsten Männer der Automobil-, insbesondere der Rennsport-Geschichte. Zwei lebende Legenden, die über viele Jahre ein geniales Doppel bildeten: 1967 haben sie in Großaspach in der Doppelgarage unter dem Wohnhaus von Aufrecht gemeinsam ein Unternehmen gegründet, das vier Jahre später (vor fast genau 50 Jahren) mit dem spektakulären Klassensieg des roten Rennwagens AMG 300 SEL 6.8 beim 24-Stunden-Rennen in Spa bereits Bekanntheit erlangte: AMG! 

Mitgründer Aufrecht, geborener Schwabe, steht pünktlich um zwölf Uhr mittags zur Abholung im Foyer seines aktuellen Unternehmens HWA AG, das rund 300 Mitarbeiter beschäftigt, in Affalterbach bereit. HWA, direkter Nachbar von AMG, besitzt einen klingenden Namen im Tourenwagen- und GT-Sport. Mehr Meisterschaftssiege erfuhr keiner. Für Mercedes-Benz hat das Unternehmen, das auch alternative Antriebsformen entwickelt, die Ära Formel E eingeläutet. Hans Werner Aufrecht lässt den Stern nun schon seit Jahrzehnten glänzen. 

Der AMG Co-Gründer weiß gar nicht, was ihn heute erwartet. „Ich lasse mich überraschen“, sagt der als geradeheraus geltende 81-Jährige. Was er nicht weiß: Wir bringen ihn heute mit seinem Co-Gründer Melcher zusammen. Für Aufrecht steht schon mal eine leistungsstarke Limousine bereit, die zur Zeit ihrer Entstehung für Furore sorgte und jetzt für hohe sechsstellige Summen gehandelt wird: „The Hammer“, eines von Aufrechts Lieblingsmodellen der gesamten AMG Geschichte. Am Steuer des W 124 mit modifiziertem 5,6-Liter-V8-Motor und 360 PS, Höchstgeschwindigkeit 303 km/h, mit dem AMG Mitte der 1980er-Jahre auch in den USA den Durchbruch schaffte: Michael Clauss, 61, seit Oktober 1978 in Diensten von AMG, Personalnummer 015. Clauss ist Initiator und Leiter des AMG Unternehmens- und Medienarchivs. Aufrecht persönlich hatte ihn vor 42 Jahren eingestellt. Clauss hatte damals gerade seine Kfz-Mechaniker-Lehre abgeschlossen, war mit Aufrecht im selben Sportverein in Affalterbach und sprach ihn mutig an. Dem Vorstellungsgespräch folgte der Arbeitsvertrag. 

„Den Mann kenne ich doch“, sagt Aufrecht jetzt ebenso überrascht wie erfreut. Dann steigt er ein, blickt über die Armaturen. Ein Lächeln im Gesicht: „Beginnt ja nicht schlecht, der Tag.“

"Alles, was ich anstrebte und wofür ich bis heute arbeite, ist nach vorne zu gucken, Erfolg zu haben. Ja, das war von Anfang an meine Triebfeder."

 

– Hans Werner Aufrecht, das A von AMG

Von Affalterbach nach Burgstall

Michael Clauss chauffiert seinen ehemaligen Chef, der seit über fünf Jahrzehnten für Rennsport und Innovation steht, zu einem sieben Kilometer entfernten Ort, an dem AMG Ende der 1960er-Jahre auf die Überholspur wechselte: Burgstall. Hier bei der ehemaligen Mühle wohnt Erhard Melcher, 81, das M von AMG. Nach der Gründung ihrer eigenen Firma – Aufrecht Melcher Großaspach Ingenieurbüro, Konstruktion und Versuch zur Entwicklung von Rennmotoren – im Jahr 1967 hatten die beiden ehemaligen Daimler-Benz Ingenieure ihren Arbeitsplatz von Großaspach sehr schnell hierher verlegt. 

Über ein Jahr lang haben sie sich jetzt nicht gesehen, entsprechend herzlich ist die Begrüßung. Sind sie eigentlich befreundet? „Als Berufsfreunde würde ich uns bezeichnen. Privat haben wir nicht so viele Berührungspunkte“, antwortet Melcher – und Aufrecht nickt. „Aber zum Geburtstag spiele ich mit meiner Mundharmonika Hans Werner jedes Jahr ein Ständchen, notfalls auch mal durchs Telefon.“

Von Melchers Wohnhaus gehen die beiden AMG Gründer hinüber zu seinem kleinen, privaten Motorenmuseum. „Als wir anfingen, hier an Mercedes Fahrzeugen zu schrauben, muss es unserem Vermieter, dem Besitzer der alten Mühle, so vorgekommen sein, als täten wir etwas Illegales. An einem Mercedes schraubte man damals nicht herum, denn der war doch schon perfekt. Doch ich wusste damals bereits: Die Branche des Mühlenbauers hatte keine Zukunft, unser Stern indes ging gerade erst auf“, sagt Aufrecht. Melcher, geborener Rheinländer, lacht: „So warst du immer. Ein Mann, der stets nach vorne, nie nach hinten schaut. Ja, wir waren ziemlich bunte Vögel hier. Ich hörte immer laut Jazz, wenn ich arbeitete. Und wenn mal ein Kunde fragte, wie er uns findet, antwortete ich nur: immer den Reifenspuren nach.“ Gut gelaunt geht es zurück nach Affalterbach zu AMG, wo für Aufrecht eine weitere Überraschung wartet. Er nimmt wieder im schwarzen „Hammer“ Platz, Melcher im hellbeigen 300 SEL, Baujahr 1969. Einparken, aussteigen, eine Treppe hinauf. Aufrecht guckt gespannt, Melcher weiß, wo es hingeht, denn er war schon mal hier. 

Das nicht öffentliche AMG Unternehmens- und Medienarchiv ist der 200 Quadratmeter große Aufbewahrungsort für Fotos, Zeichnungen, Dokumente, Motorsportequipment wie Helme, Rennanzüge und Pokale aus der gesamten AMG Geschichte.

Der Visionär blickt erfreut zurück

Hans Werner Aufrecht, der Macher und Visionär, blickt jetzt doch einmal zurück. Er ist erfreut, überrascht, begeistert. Er habe nicht für möglich gehalten, was alles noch existiere, sagt er anerkennend. Sogar der Wagenpass der „Legende von Spa“ hat seinen Platz in einer Vitrine. Ebenso der Siegerpokal von 1971 sowie auch Helm und Rennjacke des damaligen Piloten Hans Heyer, der gemeinsam mit Co-Pilot Clemens Schickentanz den sensationellen Klassensieg in Spa einfuhr – und somit den Namen AMG erstmals in der Welt bekannt machte. „Ohne den 300 SEL 6.8 wäre AMG sicher nicht das geworden, was es heute ist“, resümiert Hans Werner Aufrecht im Archiv. „Ja, der Wagen war ein Meilenstein“, antwortet Erhard Melcher lächelnd.

  "Ich war damals schon so etwas wie ein schwer arbeitender Hippie. Ich wollte keine Familie, keine große Firma. Ich wollte nur bessere Motoren machen." 

– Erhard Melcher, das M von AMG

Quelle: Mercedes-Benz Classic Magazin, Ausgabe 2.2020

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