Seit 2013 ist Toto Wolff die prägende Persönlichkeit im Mercedes-AMG Petronas Formel 1 Team und als Teamchef maßgeblich am historischen Erfolg der letzten Jahre beteiligt. Eine Erfolgsgeschichte, die darauf basiert, ständig die eigene Leistung zu steigern und sich kontinuierlich zu hinterfragen.
Unter der Leitung von Toto Wolff entwickeln sich die Silberpfeile zu einem der erfolgreichsten Rennställe in der Geschichte der Formel 1. Auf der Strecke nahezu nicht zu schlagen eilt das Team von Sieg zu Sieg. Von 2014 bis 2019 gewinnt das Mercedes-AMG Werksteam alle zwölf möglichen Einzel- und Teamwertungen der Weltmeisterschaft. Allein Lewis Hamilton wird fünfmal Champion, den sechsten Fahrertitel sichert sich Nico Rosberg, der direkt im Anschluss an seinen Triumph 2016 seinen Rücktritt bekannt gibt und von Valtteri Bottas im Cockpit abgelöst wird. Hinzu kommen sechs Konstrukteurstitel in Folge, was zuvor nur der Scuderia Ferrari zwischen 1999 und 2004 gelang. Mit den zwölf Titeln unter seiner Leitung zählt Wolff neben Ron Dennis, Frank Williams und Jean Todt bereits jetzt zu den erfolgreichsten Teamchefs der Formel-1-Geschichte. Das Geheimnis seines Erfolges ist eine Kombination aus Empathie und Perfektionismus, die Wolff im Team fordert und fördert. Hinzu kommen die persönlichen Erfahrungen aus dem Cockpit, die Toto während seiner aktiven Motorsportkarriere gesammelt hat, auch wenn diese letztlich nicht wie gewünscht verläuft.
Die Leidenschaft zum Motorsport entwickelt sich bei dem am 12. Januar 1972 geborenen Wiener nach einem Besuch am Nürburgring, wo er als 17-Jähriger gemeinsam mit Freunden ein Formel-3-Rennen auf der legendären Rennstrecke verfolgt. Dort verfällt er sofort dem Motorsport: „Ein paar Jahre lang war der Rennsport das Einzige, das zählte.“ In den Folgejahren versucht sich der Österreicher dann auch selbst hinterm Steuer. 1992 findet sich Toto Wolff im Cockpit der Formel Ford wieder, 1994 gewinnt er das 24h-Rennen am Nürburgring in seiner Rennklasse. Und doch hat der junge Fahrer Zweifel: „Ich war 19 oder 20 Jahre alt, da wurde mir während eines Formel-Ford-Rennens etwas bewusst: Ich fuhr hinter meinem Freund Alex Wurz und obwohl ich ihm folgen konnte, wusste ich, dass er etwas anders machte. Seine Fähigkeiten waren andere. Ich habe realisiert, dass ich nicht das Talent dazu hatte." Der Sieg auf dem Nürburgring rückt Wolff dennoch in den Fokus der großen Teams, woraufhin ihm ein Platz in der Formel 1 angeboten wird. Eine einmalige Chance, von der er immer geträumt hat – doch er lehnt ab. Wolff ist überzeugt, dass sein Talent und seine körperlichen sowie finanziellen Voraussetzungen nicht ausreichen, um in der Formel 1 langfristig an der Spitze mitfahren zu können. "Ich habe versucht, realistisch zu sein. Wir leben in einer Welt voller Spezialisten. Daher musst du verstehen, wo deine Talente liegen und wo du erfolgreich sein kannst. Dann musst du das weiterentwickeln." 1994 verkündet Wolff seinen Rücktritt aus dem Motorsport und fokussiert sich auf die Businesswelt.
Es folgt ein Studium an der renommierten Wirtschaftsuniversität Wien in Handelswissenschaften. Schnell beweist Wolff sein Gespür für attraktive und strategische Geschäftsoptionen. 1998 gründet er seine erste eigene Investmentfirma. "Man muss Leidenschaft in sein Leben bringen. Wenn man nur in sein Büro geht, ohne das zu lieben, was man macht, dann ist es schwierig, erfolgreich zu sein." Im Fokus seiner strategischen Beteiligungen stehen zunächst Internet- und Technologieunternehmen. Doch letztlich findet Toto Wolff über Investmentgeschäfte auch wieder zurück zu seinen Anfängen im Motorsport.
Zusammen mit dem zweimaligen Formel-1-Weltmeister Mika Häkkinen engagiert er sich im Management für aufstrebende Piloten, unter anderen für den damaligen Formel Renault Fahrer Valtteri Bottas und den späteren DTM-Meister Bruno Spengler. „In gewisser Weise habe ich versucht, jungen Fahrern das zurückzugeben, was mir fehlte, und das war die Finanzierung und Beratung." Im selben Jahr erfolgt die aktive Rückkehr auf die Rennstrecke, wenn auch nur als Hobby. 2002 erzielt Wolff einen Sieg in der FIA GT Weltmeisterschaft, in der er bis 2006 fährt. Es ist ein Jahr der Erfolge, auf und neben der Strecke. Wolff kürt sich zum Vizemeister der österreichischen Rallye-Staatsmeisterschaft und siegt beim 24h-Rennen in Bahrain. Mit der Umwandlung der H.W.A. GmbH, der ehemaligen Motorsportabteilung von AMG, in die HWA AG ergibt sich für Wolff eine attraktive Chance, seine Interessen für Motorsport und Investment zu verbinden. Er erwirbt 49 % der Anteile von Hans Werner Aufrecht, einem der zwei Gründungsmitglieder von AMG, die er erst 2015 wieder veräußert. Es ist der Auftakt für strategische Beteiligungen in der Königsklasse des Motorsports.
Ende 2009 steigt Toto Wolff beim Formel-1-Team von Williams ein und avanciert schnell zur Schlüsselfigur. 2012 erfolgt der Aufstieg zum Executive Director des geschichtsträchtigen Teams. Wolff trägt entscheidend zum Aufschwung des Teams bei, wodurch im selben Jahr der erste Sieg seit acht Jahren beim Grand Prix in Spanien gelingt. Für Williams ein herausragender Erfolg, der nicht nur intern hohe Wellen schlägt, sondern auch extern Beachtung findet. Kurz darauf erhält Wolff einen Anruf von Wolfgang Bernhard, dem damaligen Daimler-Vorstandsmitglied. In einer Reihe von Gesprächen ist die zentrale Frage, wie es Williams als kleines Team gelingt erfolgreich zu sein und wo Wolff Defizite bei Mercedes sieht. Die Marke mit dem Stern ist seit 2010 wieder mit eigenem Werksteam in der Königsklasse des Motorsports vertreten und konnte beim Großen Preis von China 2012 auch den ersten Formel 1-Sieg der Gegenwart feiern, fuhr jedoch noch nicht konstant um gute Platzierungen mit und blieb hinter den eigenen Erwartungen zurück. Um dem Ursachen auf den Grund zu gehen, gewähren die Verantwortlichen Toto Wolff Einblicke in das Innenleben des Teams und beauftragen ihn gleichzeitig mit einer Analyse der bisherigen Versäumnisse. Wolffs Fazit: Das Mercedes-Werksteam ist im Vergleich zur Konkurrenz unterfinanziert – sowohl budgetär wie auch personell. Darüber hinaus gibt es Optimierungsbedarf bei den internen Prozessen und Strukturen.
Doch nicht nur beim Aufzeigen der Herausforderungen vertraut das Stuttgarter Automobilunternehmen Toto Wolff, sondern auch bei der Suche nach Lösungen: Ab 2013 übernimmt der Österreicher die Position des Executive Directors im Mercedes-AMG Petronas F1 Team und steigt zum Motorsportchef von Mercedes-Benz auf. Er löst Norbert Haug ab und führt den Rennstall fortan mit Fomel-1-Legende Niki Lauda, der sich dem Team im gleichen Jahr als Aufsichtsratschef anschließt. Die beiden unterschiedlichen Charaktere ergänzen sich. Während Lauda intern wie extern als Formel-1-Legende geschätzt und dank seines Erfahrungsschatzes wichtiger Ansprechpartner für die Fahrer ist, treibt Wolff die Etablierung interner Strukturen und Werte voran. Sowohl Wolff als auch der Daimler AG ist es dabei wichtig, dass der Unternehmer „skin in the game“ hat, weshalb er mit einem Anteil von 30% beim Team einsteigt. In den kommenden Jahren wird er das Team zusammen mit seinen Kollegen zu zuvor nie erreichten Erfolgen führen. Dabei wird der Österreicher nicht müde, die Werte des Teams in den Vordergrund zu stellen. „Es sind fast 2000 Mitarbeiter, die wir auf diesem Formel-1-Projekt haben und jeder trägt seinen Teil dazu bei. Und ich in meiner Rolle trage meinen Teil dazu bei, aber nicht mehr oder weniger als viele andere, die dieses Team zu dem gemacht haben, was es heute ist."
Die neue „See it, say it, fix it“-Philosophie ist, neben den hervorragenden Ingenieuren und Fahrern, eine der tragenden Säulen des Teamerfolgs. Dabei steht Wolff für einen Führungsstil der offenen Worte, Empathie und Empowerment. „Die Wertschätzung ist ein essenzieller Teil in jeder Beziehung – so auch bei uns im Team. Sie ist auf professioneller Ebene sehr wichtig, um die gemeinsam gesteckten Ziele zu erreichen. Andererseits braucht man aber auch Empathie, um zu respektieren, dass jeder seine ganz persönliche Meinung hat." Eine gute Beziehung pflegt Wolff dabei nicht nur zu seinen beiden Piloten, die er seit vielen Jahren schätzt. Während er Valtteri Bottas bereits aus seiner Zeit als dessen Manager kennt, trifft er Lewis Hamilton zum ersten Mal 2004 bei einem Testrennen der Formel 3 in Valencia. Hamilton läuft vor dem Rennen in die Garage des dominanten ART Teams, um sich über die Fahrzeuge in der Garage zu erkundigen. Sofort ist Wolff, zu diesem Zeitpunkt Manager eines ART-Team-Piloten, von Hamiltons Neugier und Interesse angetan. Jahre später kommt es zum Wiedersehen: 2013 wechselt Hamilton als Nachfolger von Formel-1-Legende Michael Schuhmacher zu den Silberpfeilen und ist mittlerweile auf dem besten Wege, selbst Rekordweltmeister zu werden und seinen Vorgänger zu überflügeln.
Der andauernde Erfolg ist dabei keine Selbstverständlichkeit, wie der Wiener stets betont: „Erfolg in der Formel 1 ist, das nächste Rennen zu gewinnen, nicht die nächste Meisterschaft." Seit seinem Einstieg 2013 hat Wolff das Streben nach dem Maximum der Leistungsfähigkeit salonfähig gemacht. Dabei ist ihm die Balance zwischen Anspruch und Ausgleich wichtig. Offen spricht er über seine eigene mentale Gesundheit und wie er seit Jahren Experten bei Problemen konsultiert. Ein für ihn selbstverständlicher Ansatz, den er auch im Formel-1-Team etabliert hat, um Überbelastung oder Motivationseinbrüche zu verhindern und die Mitarbeiter zu entlasten und so ein optimales Arbeitsumfeld zu schaffen.
Dabei fungiert Wolff als Vorbild seiner geforderten Unternehmenskultur. Meetings beginnt er oft damit, eigene Fehler zuzugeben, um das gesamte Team dafür zu sensibilisieren, Probleme offen ansprechen zu können. Im Mittelpunkt steht jedoch immer die Problematik, niemals einzelne Personen: „Das meiste lernen wir an unseren schwersten Tagen. Wenn man in der Lage ist, ein Problem zu analysieren, ohne die Schuld bei einer Person zu suchen, sondern beim Problem selbst, kann deine Organisation sogar aus einer schmerzlichen Erfahrung gestärkt hervorgehen." Die gewünschte Selbstreflexion ist eine der größten Stärken von Wolff, auch wenn seine Skepsis nicht gerade zu mehr Lebensfreude beiträgt, wie er unumwunden zugibt: "Ich bin eher der Glas-halb-leer-Typ, was mein Leben nicht einfacher macht." Freie Zeit verbringt er damit, bisherige Ereignisse zu reflektieren, anstatt sich mit seinem Smartphone abzulenken. Einen Ansatz, für den der seit 2011 mit der ehemaligen Rennfahrerin Susie Stoddart verheiratete Wolff auch seine drei Kinder sensibilisieren will, wenn auch mit mäßigem Erfolg: „Meine Kinder haben von der Story schon die Schnauze voll."
Während Wolff mit dem Formel-1-Zirkus durch die Welt reist, ist Susie seit 2018 als Teamchefin beim Venturi Formel-E-Team aktiv. Und die Zeichen stehen gut, dass der sagenhafte Erfolg der letzten Jahre auch in Zukunft fortbesteht: „Ich bin sehr zufrieden mit meiner momentanen Situation. Ich habe eine traumhafte Beziehung zu Mercedes und dem gesamten Team. Wir können zusammen noch sehr viel erreichen und ich freue mich auf die Zukunft.“